Der eiserne Ring mit dem Kessel
Ein unbekannter Sagensammler traf einst bei einem Streifzug durch die Haibacher Schweiz einen Mann, der lange Jahre Bürgermeister von Haibach gewesen war und der ihm die folgende Geschichte über die »Ketzelburg« und wie der Name entstanden sein könnte erzählte:
Ich, der Franz Matthias Albert, bin am 2. Dezember 1829 geboren. Wir waren fünf Kinder, ich war der Zweitgeborene. Mein Vater, am 15. Juli 1785 geboren, hatte noch die Franzosenkriege mitgemacht und sich dabei so schwer verdorben, dass er in seinen späteren Jahren viel unter seiner Gicht zu leiden hatte. Wenn er so krank darniederlag, musste immer eines von uns Kindern daheim bleiben und ihn pflegen. Sehr oft erzählte er dann die Geschichte vom Ritter von Haydebach.
Dieser Ritter wohnte auf seinem Schlosse hier in nächster Nähe. Es stand an der Stelle, die noch heute die »Ketzelburg« heißt und von der man noch die Burggräben sieht. Einmal hüteten zwei Kinder am Fuße der Burg das Vieh, ein Knabe und ein Mädchen mit Namen Anna Amalie, genannt das »Annamiälche«. Die Geschwister spielten im Sand und bauten allerlei Gebilde, wie es eben Kinder so machen. Auf einmal sahen sie, wie sich zwischen ihnen der Boden hob und langsam etwas höher und höher geschoben wurde; zuerst erschien ein kleiner eiserner Ring und daran ein großer Bogen, wie an einem Kessel. Zum guten Schluss kam tatsächlich dann ein Kessel zum Vorschein, darinnen etwas brodelte und kochte, das aussah wie weiße Rüben. Der Knabe ergriff schnell den Hirtenstecken und steckte ihn durch den kleinen eisernen Ring gegen das Mädchen hin. Dieses griff nach dem anderen Ende und sie wollten dem Kessel, der sich gar so langsam hob, ein wenig nachhelfen. Die Last wurde den Kindern schwerer und schwerer, und wie sie sich so abplagten und hoben, dass sich ihnen die Backen aufbliesen, da rief der Knabe erschöpft: »Annamiälche, heb', dass du die Kränk` kriegst, heb'!« Aber in diesem Augenblick war der Kessel und sein Inhalt mitsamt dem großen Bogen in der Tiefe versunken, und nur der kleine Ring, durch den sie den Stecken hielten, blieb ihnen zurück. Hätte nun aber der junge geschwiegen, bis dass der Kessel ganz aus der Erde gewesen wäre, so hätten sie einen großen Schatz gehoben und wären reiche Leute geworden. So hatten sie nur den kleinen Ring, und der Schatz ist seit jener Zeit nicht mehr gesehen worden.
Aber schon zu meines Vaters Zeiten und auch später noch haben immer wieder Leute an der bewussten Stelle gegraben und gemeint, den Schatz finden zu müssen; es ist aber allemal umsonst gewesen. Die Eltern der beiden Kinder ließen später den Kesselring einmauern, und heute noch hat ihn Hausnummer 114 in Haibach als Wahrzeichen.